Donnerstag, 30. November 2017
29 1/2 Gramm Dämmerung
Woher soll ich auch wissen, dass er ein Junkie ist? Wegnehmen kann ich ihm das Zeug freilich nicht, auch wenn ich es wollte, aber er hält mich ja in einem konstanten Intervall von Bruchteilen eines Kolibriflügelschlages mal für Mengele, der ihn auf seinem unsterilen OP-Tisch aushöhlen will um sich in ihm zu verstecken, um so den Alliierten Häschern zu entkommen, andererseits für glibbrige Außerirdische Volksmusikträllerer, die ihm den Schwanz abschneiden wollen um eine Vagina einzupflanzen. Die Phasen wo ich nur irgendwelche Objekte bin, zum Beispiel ein antiker Stuhl, auf dem Attila der Hunne gesessen haben soll, sind bedauerlicherweise seltener und mir noch die Liebsten.
Ich gehe zur Badewanne rüber und lasse kaltes Wasser ein.
Erst als ich ihm den flachen Handrücken mit 0,3% Lichtgeschwindigkeit ins Gesicht lege, beruhigt er sich kurz soweit, dass ich ihm erklären kann, dass seine einzige Überlebenschance vor diesen riesigen behaarten Spritzen, die ihn entsaften wollen (O-Ton), die schützende Wanne ist. In der kalten Ummantelung des noch laufenden Wassers kann er mir so erst mal Rapport über die Geschehnisse geben. Zerbrochener als ein Rosenkriegspiegel je hätte sein können, faselt er mir vor was er mit ihm anstellte: Messelweis unschöner Tot kam aus den eigenen Reihen, denn als Folterinstrument diente Max offenbar der Ottomane vom Sofa. Als schmerzverstärkende Komponente erwies sich gerade die todschicke Form dieses Fußhockers. Die Füße aus dem recyceltem Holz des Dachstuhles eines alten Schlosses, liefen immer dünner werdend aus, bis sie nur noch spitz waren. Keine Gumminoppen oder wenigsten der Versuch die Beinspitzen etwas abzurunden um Kratzer zu vermeiden, sage ich euch, der ist von dieser Machart gefährlich für Körper und Parkett, aber eben muss das so sein, beim Geldzeigen geht es nicht ums Praktische. Und da drunter schob er abwechselnd eine Hand oder andere Extremität Messelweis, um sich dann genüsslich mit seinen beinahe hundert Kilo auf den Stuhl zu setzen. Gut möglich dass Max ihm vorher den Kiefer brach und einen Knebel dazwischen stopfte, um das Schreien zu mindern, denn ich hörte kein großes Geschreie. Dumpfe Laute nur. Zum Ende hin übertrieb er es aber wohl - für mich war es eine Hypertreibung - das Letzte was ich sah, war eines der Stuhlbeine, wie es in einer Augenhöhle Messelweis verschwand, und in mir ploppte das Bild auf, wie Max latent betäubt vom ersten Drogennaschen, aber noch fähig aufrecht sich zu halten, nackt auf dem Stuhl saß, das Gesicht voller Kot, die Arme über der Lehne verschränkt und smalltalkmäßig mit dem Versterbenden redete, während es unter ihm röchelte und wie ein Vulkan aus den Lücken des Knebel heraus spuckte und quoll (obwohl ich nicht weiß ob das mit einem gebrochenen Kiefer überhaupt möglich ist) und in dessen Kopf ein hölzernes, geschichtsträchtiges Stuhlbein steckte, dass schon ein halbes Dutzend Belagerungen und scheidende Könige erlebt hatte.
Es klopft an der Eingangstür, so das ich dachte, die Untermieter würden sich beschweren wollen zwecks des Gerumpels. Max überlasse ich vorsichtshalber sich selbst, sperre die Badtür ab. Eigentlich schließe ich sie nur, aber er würde nicht auf die teuflische Mechanik kommen, die ihm diese geöffnet hätte. Eine gewöhnliche Klinke ist für ihn das Doppelspaltexperiment für Hauptschüler geworden. Ein in sich geschlossener Raum, das wird ihn hoffentlich beschäftigen, aber wahrscheinlich ist die Wannenwand schon unüberwindbar hoch. Das Wasser habe ich abgestellt und den Stöpsel gezogen, nicht dass er mir noch ertrinkt. Der Drogencocktail hat ihn total entkräftet, er schläft sich etwas aus.
An der Eingangstür, Hoffnungsfunken zerschlagen sich zu einer Vielzahl, die man nur aus den Augen verlieren kann. Zwei adrette Herren, Sonnenbebrillt, hochgewachsen, in Lederschuhen, schwarzer Hose samt Sakko, blau das Kent-Kragen-Hemd aus Leinen, ohne Krawatte, wie Zwillinge. Allein die Brillen schwanen mir Böses. Zeit zum Realisieren gibt es nicht, ich befinde mich ohne einladenden Wortwechsel flugs an die nächste Wand gedrückt, in den kantigen Rahmen des Prints einer Sherman-Fotografie, um meinen Hals riesige, fleischige Finger gewunden.
„Messelweis? Wilhelm Messelweis?“
Normalerweise würde man das Willkommen nicht in Form einer Frage nach der Person stellen, wenn man sich Zutritt zu so einer Wohnung verschafft und die gesuchte Person in feinen Zwirn gekleidet ist, denn Mensch und Möbel würden in diesem Fall einstimmig zusammenpassen, was aber in meinem Aufzug durchaus eine solche Frage legitimiert.
„..hh....rrr...eiii.....“
„Du musst ihn schon reden lassen!“, sagt der eine zum Würger. Er löst daraufhin seinen Griff. Meine Halsinnereien fühlen sich noch zwei Sekunden so an – so viel Energie durchzieht die Rohrzangen-Finger - als hätte er nicht losgelassen und die Luft- und Speiseröhre, Hauptschlagader und Wirbelsäule rückten immer noch näher zusammen.
„Messelweis ist im Wohnzimmer...“, keuche ich, massiere um den Hals und in den Nacken die Spannung heraus. Eine Kopfbewegung und dass eine Monstrum verschwindet um nachzusehen.
„Scheiße man...was ist denn hier...“
„Es sieht vielleicht etwas seltsam aus....“, brülle ich noch rüber, im apokalyptischen Blick des anderen Muskelberges.
„Bring ihn her, auf die Geschichte bin ich gespannt!“
Ich werde ins Wohnzimmer geführt. Das ist es nun, ein Wohnzimmer, drei Lebende, ein Toter, ein Ungefundener dazwischen, und meine Erklärungsnot. Und ich soll Rede und Antwort stehen für eine Sache die ich mal wieder überhaupt nicht getan habe. Nicht mal das, nein, ich bin ja nicht mal wirklich anwesend gewesen.
Zum dritten Mal in dieser Nacht!
Und wieder einmal will man mir stante pede einen Strick da draus drehen. Das ist nicht die Justiz der ich heute Abend nachgelaufen bin. Sollen sie doch den Vollgepumpten im Bad erhängen. Sein wir ehrlich, er hat an zwei Toten Last zu tragen, er ganz allein, ohne meine Nötigung ihm gegenüber es zu tun, ohne ihn gäbe es noch zwei. Obwohl es gut ist dass sie nicht mehr am Leben sind.
Max ist zu meinem Missing Link des Todes geworden. Ein winziger Prozentsatz von vielleicht siebzehn, okay, soweit lass ich mich breitschlagen. Aber für diese absolute Sauerei, und was anderes ist es nicht, die Rechnung tragen? Kann man auch mit Kreditkarte zahlen? Ich habe nur Worteklimpergeld und ein paar ärmliche Satzscheine. Hier bräuchte es aber bündelweise, und das gestapelt. Also versuche ich jeden Pfennig an Worten an den Mann, in diesem Fall die schwarz gekleideten Herren zu bringen. Und wie das mit Kleingeld so ist, es ist nervig und unnötig. Herr Gott nochmal, sein Wissen und Gewissen einfach durch einen schmalen Schlitz ziehen und Bingo, kein Gefummel in der Geldbörse seines Kopfes, wenn man versucht die wenigen Worte auf den Groschen genau zusammen zu kramen. Trinkgeld wird es heute definitiv nicht geben, dafür ist mir die Umgebung zu unsympathisch. Und der Service lässt gehörig zu wüschen übrig. Miserabel, miserabel. Im Grunde hätte man mich für diese ganze Scheiße bezahlen müssen, Rockefeller wäre bei mir nur eine Putze gewesen.
Ich erkläre mich auf atomarer Ebene genaustens, die wussten später sogar den botanischen Namen der Pflanze (Hundspetersilie), die neben der Stufe vom Fidschi-Shop in der Ecke aus einem Riss in den Betonplatten wuchs, und dass mir in der Kürschnergasse in der ersten Etage des renovierten Backsteinmehrgeschossers die violette Gardine so gut gefiel. Bin kein Fan von so was (also Gardinen), aber es war wohl die Leuchtkraft der Farbe und das gotische Spitzenmuster. Die Bude eines weiblichen Zockers, vermute ich. Komischerweise prallen derlei Details an diesen Beiden ab. Ich empfinde es als ziemliche Banauserei. Die Details man, die Details! Ohne die Kleinigkeiten wäre das Ganze nur ein grober, grüner Wackelpudding. Schön anzusehen, aber mit der Zeit inspirationsleer und fade. Die sind keine Ausgesandten der Kunstwerkprüfung oder Experten des Kunsthandels an sich, beide aus sehr viel holzhammermäßigeren geschnitzt, so grobmotorisch, dass mir am Ende klar wird, dass die selbst zu Messelweis nicht in freundlicher Absicht kamen. Hat der Hund also mehr Dreck am Stecken als eine tote Ex und Auftragsmöchtegernmörder-Kumpel, Max und mich. Und dann passiert das, und mir ist es plötzlich so als ergötze sich jemand daran mich mit dem Gesicht in die Scheiße zu tunken. Richtig schön hin und her, mit anschließendem Scheiße-Boarding. Ich komme vor Scheiße nicht mehr aus dem Schlaf: Scheiße, Kacke, Kot, Stuhl, Fäkalmasse. Ja, ja, endlose Synonymkette aus Arschabsonderungen, und die kann ich mir verdient umhängen. Das ist mein erster Preis!
Womit habe ich das verdient? Die Antwort wäre größer als die Frage selbst. Der Reihe nach, beide beginnen finstere Auskünfte zu geben. Es redet nur einer von beiden, der, der im Zimmer steht und die Leiche unbeeindruckt betrachtet.
„Machen wir´s kurz, Messelweis schuldet unserem Boss noch Zweihunderttausend! Geld, das sich unserer Boss nicht durch die Lappen gehen lassen will. Du verstehst! Nun, dieses tote Arschloch da, sollte uns das Geld heute übergeben. Er wusste es selbst zwar noch nicht, das heißt aber keineswegs, dass er es nicht hätte machen müssen. Ich denke es ist unerheblich zu erwähnen, dass unserer Boss äußerst gereizt reagieren wird, wenn er sein Geld nicht bekommt?! Dieser Messelweis ist tot! Wer begleicht dann die Schulden gegenüber unserem Boss?“
(Max, du bist ein noch toterer Mann. Und wenn ich einen noch größeren Fleischklops finden muss, der dir den Hals umdreht!)
„Ich denke mal nicht der Hausmeister...“, murmele ich ertappt vor mich her.
„Exakt mann, du kommst dafür auf! Du hast ihn gekillt...obwohl, wenn ich mir dich so ansehe...)
Der große Kerl schaut sich um und immer wieder zu mir, versucht die Unordnung im Zimmer und den bestialischen Zustand der Leiche von Messelweis mit meiner Erscheinung zu kombinieren. Er misstraut seiner Eingebung, es fügen sich keine zwei verschwommenen Fotos zu einem scharfen übereinander, was meine Person betrifft. Ich glotze nur nervös und fiebrig in der Weltgeschichte umher, vermeide Blickkontakt. Sein Mitstreiter räuspert um auf der einen Seite nicht unhöflich dazwischen zu funken, aber doch hinzuweisen dass Zeit nicht ewig anhält. Da fängt er sich wieder und geht weiter im Kern.
„Eigentlich ist mir völlig egal ob du es warst, du bist hier, zu diesem Zeitpunkt. Eindeutig, du wirst der Mann sein, der unserem Boss bis spätestens um Zwölf seine Kohle bringt!“
„Um was? Ihr meint doch nicht das Heute um Zwölf?“
Der neben mir nickt mit geschlossenen Augen.
„Na aber was hast du denn gedacht, Freundchen!“
„Wo zum Henker soll ich denn in den paar lausigen Stunden noch Zweihunderttausend auftreiben? Wenn das so einfach wäre, würde ich wohl nicht hier stehen!“
„Nicht mein, nicht unser Problem, Penner! Alternativ können wir dich auch gleich an Ort und Stelle kaltstellen!“
Im Grunde würde sich die Sache in Luft auflösen, wenn diese zwei Halbaffen wieder verschwunden sind. Dann suche ich einfach das Weite. Die wissen ja nicht wer ich...
„Gib mal deine Brieftasche!“
„Wie bitte?“
„Du hast schon gehört!“
Verdammt, es klappt aber auch gar nichts. Den ganzen Tag regt man sich über die Dummheiten der Mitmenschen auf, fragt sich ununterbrochen, wie selten sie ihren Kopf gebrauchen. Ausgerechnet jetzt muss der König der Idioten die Murmel auf seinem Hals zum Denken benutzen. Um zu viel vorzeitigen Schmerz von mir abzuwenden, gebe ich sie ihm. Prall gefüllt mit schon längst eingelösten Straßenbahntickets, Konzertkarten, Bankautomat-Quittungen, Visitenkarten, Eintrittskarten für Labyrinthe, Personalausweis, Führerschein (der dort auch verstauben und nie raus geholt werden wird), Krankenkarte, im Münzfach vier Kupferne, drei Goldene und eine Silberne, ein Schein im Wert von Fünf, das Leder abgewetzt und dunkelbraun glatt, der einzige Beweis meiner Verbindung zu gesellschaftlichen Strukturen, es lässt sich nur schief auf ihr sitzen, für viele Gesäßtaschen zu dick.
Den Namen und die Adresse, entnommen dem Perso und Führerschein, die gleich eingezogen wurden, haben sie jetzt also, da kann ich mich nicht mehr aus der Affäre stehlen. Optional bleibt mir so immer noch die Flucht ins Ausland.
„Punkt Zwölf ist das Geld da! Früher kann es sein, aber keine Sekunde später! Falls du doch so blöd bist wie du aussiehst und zu den Bullen rennst, abhaust oder sonst was für Scheiße anstellst, gebe ich dir jetzt noch einen kleinen Tipp: Tu irgendwas, das meinem Boss nicht schmeckt, und die Kleine und deren Hure von einer Mutter werden zu Wurstware verarbeitet, kapiert?“
Moment mal, halt, stopp, wie war das?
Mir wird nochmals eindringlich mitgeteilt, dass man vor einiger Zeit Ex-Ehefrau und Tochter eines von Messelweis früheren guten Kumpels entführte und nun als Druckmittel benutzt. Der besagte Kumpel Humboldt würde seit geraumer Zeit nicht mehr existent sein – er würde an einem nicht näher erläuterten Ort in in Teilen in Beton konserviert sein - aber offenbar gingen sie davon aus, dass Messelweis aus Solidarität zu seinem Freund Humboldt alles daran setzen würde, die Entführten unversehrt zurück zu bringen. Schöne, schimmernde Scheiße noch eins!
Auch das noch. Zwei Schicksale in den Händen eines Mannes, der nicht mal sein eigenes stemmen kann? Wieso kann es kein entführter, dick beleibter Lkw-Fahrer sein oder ein Neunzigjähriger, dem das Alter im Oberstübchen langsam die Lichter löscht? Immer sind es Frauen und noch schlimmer, Kinder! Zum Kotzen, dass selbst Hirnlose so dickstückige Psychologietaktiken anzuwenden wissen. Ein Einzelgänger bin ich deshalb auch schon immer, die Belange anderer sind mir stets zuwider, da ich genug an mir selbst zu schleppen habe. Das also soll nun meine Lebensprüfung sein. Man kennt das ja, das Leben tröpfelt so vor sich hin und plötzlich scheint alles über einem zusammenzubrechen und man fragt sich, warum? Wenn man diese Hürde aber meistert, dann merkt man, dass einem diese Erfahrung mehr gibt als nur Zweifel am Dasein.
Das sonst immer hypothetische Spiel auf Leben und Tot, nun ist es da, vor meinen Füßen liegt es aufgerissen und zum Sprung bereit in meine Existenz. Und es lacht verherrlichend. Das miese Etwas.
Zweihunderttausend beschaffen oder zwei Menschen sterben. Meinetwegen! Nicht meinetwegen, ich meine, wegen mir! Wieso kann ich nicht zwei beschaffen und zweihunderttausend retten? Nur eine kleine Umstellung von Punkten und Nullen, aber das würde doch alles soviel leichter machen. Diese verfickten Nullen. Nullen gibt es auf dieser Welt viel zu viele, ich bin für die Abschaffung von Nullen. Die Population hat einfach ein unüberschaubares Ausmaß angenommen. Wir müssen sie zum Abschuss freigeben! Gejagt sollten sie sein, der Fortpflanzungstrieb umgehend unterbunden werden. Ja genau, eine Geburtensperre für Nullen. Allerdings fallen auch viele Menschen in diesen Topf. Nullen weil sie nichts können, oder Nullen, weil die arroganten Einsen meinten, sie seien was besseres und Nullen müsste man schröpfen bis zur Besinnungslosigkeit. Eine binäre Zwei-Klassen-Gesellschaft. So wird eine bodenständige Null eine wahrhaftige abartige Eins. Das ist meine Mathematik!
(In Mathe war ich immer eine Null)
Ich harke nach.
„Wie soll ich das denn anstellen, ohne die kriminelle Schiene zu fahren?!“
„Die musst du wohl fahren, wenn du nicht gerade nen reichen Onkel hast...“
„Wir sind ja nicht von gestern!“, erklärt der neben mir als einziges Anzeichen Sprache und Stimme zu besitzen. Fähig Humor zu verstehen, aber auch abgestumpft vom Gewalt-Alltag, zuckt der andere nur kurz, während er die Hände in den Taschen kleine, halbe Pirouetten dreht um das Todes-Panorama zu überblicken. Man händigt mir eine abgenutzte Beretta aus, ansatzweise schon rostig, und sagt mir, das Magazin dafür würde draußen vor dem Eingang unter der rechten Mülltonne liegen. Jedenfalls würden sie es beim Verlassen der Loftwohnung und des Hauses dort deponieren. Gewitzt sind die Jungs, was die Mechanismen des Schurkentums angeht.
Bald darauf ist wieder alles still. Da stehe ich nun, zweckentfremdet von unbekannten Leuten, hineingeworfen in einen Käfig voller hungriger Tiger. Max ist noch immer unnütze, weil noch immer im Rauschtiefschlaf, den muss ich hier zurücklassen, es geht nicht anders, er wäre nur ein weiteres Problem mit dem ich mich rumärgern müsste. Packe die Faustfeuerwaffe und meine um Personalausweis erleichterte Brieftasche weg in den Rucksack und gehe aus dieser befleckten Wohnung.
Die Gedankenspirale kreiselt schwachbrüstig, sie taumeln alle erst steif in einer runden Bahn, leiern sich aber gleich immer in einen unbestimmten Orbit aus. Herrje, es ist alles nicht zu fassen. Und vom Raumfahrer-Modul werden die Feststoffraketen abgekoppelt und ziehen davon, fallen in die blaue Atmosphäre zurück mit einem immer winziger werdendem Zweihunderttausend.
Es ist die Einzige, da kommt nur Gewalt in Frage. Sachbeschädigung, Menschenverwrackung. Einem Menschen eine Waffe vor das Gesicht zu halten – allein damit beginnt man schon das Unanfangbare, welches uns tunlichst vom bloß absolut existenziell Veranlagtem unterscheidet - braucht den Mut zur Hemmungslosigkeit, das Tötungswillige in dir. So zu agieren, ist wie den vollen Preis für ein Tagesticket zu berappen und dann nur zwei Haltestellen zu fahren. Faul und nicht gerade helle, aber doch regelkonform? Naja, gegen etwas Hemmungslosigkeit ist ja nichts einzuwenden. Macht schon gewisse Dinge einfacher. Es ist gefährlich Menschen etwas zu geben, das sie vorher noch nicht kannten. Egal wie schlimm die Konsequenzen, sie werden diese Dinge benutzen und ausprobieren. Neugier hat uns groß werden lassen und den Instinkt in den Schatten gestellt. Ich habe eine abgegriffene Kurzwaffe in meinem Rucksack, die unter Garantie Menschen getötet hat. Aus ihrem krumm gezogenen Lauf schoss die Patrone die Leute tot, ob nun unschuldig oder nicht. Ich hasse Waffen. Aber ich werde gezwungen sein sie zu benutzen. Ich werde das tun. Muss es machen. So wird aus Anständigen, zwielichte Schattengestalten. Du tust einem Menschen schon Gewalt an, wenn du nur mit der Waffe vor ihm rumfuchtelst. Eigentlich bin ich ja nicht so, aber Gott will es anscheinend nicht anders, und es scheint auch nicht der weltliche Himmelhüter zu sein, es ist sein buckeliger Bruder aus der Unterwelt, nach dessen Handschrift meine Ereignisse skizziert sind, es ist der Orcus´sche Nachlass, wie das Vererben von Schulden. Soll er haben, die Konsequenzen bringe ich ihm irgendwann wieder.
Es ist immer gefährlich Menschen etwas zu geben, trotz dessen sie meinen es zu kennen.

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